CAIM fördert fünf Translationsprojekte aus der Akut- und Präventivmedizin

10.02.2022

Zur ersten Ausschreibung des CAIM Forschungsprojekte-Fonds haben 20 Teams ihre Projekte eingereicht. Nach einer Peer-Review durch externe GutachterInnen und einer Pitching-Runde haben das CAIM Management und der Lenkungsausschuss fünf Projekte ausgewählt, die während der nächsten 24 Monate mit je bis zu CHF 100 000 gefördert werden.

Die CAIM-Projekte aus fünf unterschiedlichen medizinischen Disziplinen vereinen die Möglichkeiten datenbasierter Medizin und die neuesten Technologien der Datenwissenschaft und der künstlichen Intelligenz zur Lösung einiger der aktuell grössten Herausforderungen in der medizinischen Akutversorgung, der Prävention von stark verbreiteten Gesundheitsrisiken sowie der jederzeit bedarfsgerechten Versorgung chronischer Erkrankungen. Sie haben einen konkreten Patientennutzen im Sinn, der im Zusammenwirken der jeweiligen interdisziplinären Projektteams realistisch innerhalb der nächsten Dekade erreicht werden kann. Projektstart ist der 1. März 2022.

Risikovorhersage bei Herzmuskelentzündung mittels KI im Herz-MRI verbessern

Myokarditis ist eine Entzündung des Herzmuskels, die durch verschiedene Krankheitserreger, darunter auch Viren, verursacht wird. Man geht davon aus, dass sie für 20 Prozent aller plötzlichen Herzstillstände weltweit verantwortlich ist und die dritthäufigste Todesursache bei jungen Erwachsenen darstellt. Darüber hinaus hat die Myokarditis in den letzten zwei Jahren als Folge einer Covid 19-Infektion (bzw. der entsprechenden Impfung) für Schlagzeilen gesorgt. Aufgrund ihres heterogenen Erscheinungsbildes ist es schwierig, eine Myokarditis ausschliesslich anhand klinischer Informationen zu diagnostizieren. Da die Myokarditis zu Herzversagen oder gefährlichen Herzrhythmusstörungen führen kann, ist es wichtig, betroffene Patienten schnell und zuverlässig zu identifizieren, um eine geeignete Behandlung einzuleiten. Die kardiale Magnetresonanztomographie (MR) hat sich in diesem klinischen Kontext zum primären Diagnoseinstrument entwickelt und birgt das Potenzial, die Risiko-Stratifizierung zu verbessern.

Prof. Dr. med. Christoph Gräni, PhD, Leiter der kardialen Bildgebung an der Universitätsklinik für Kardiologie des Inselspitals Bern, und seine PhD Studentin Yasaman Safarkhanlo, Physiker in der kardialen Bildgebung, wollen nun einen maschinellen Lernalgorithmus entwickeln, der eine automatische Analyse des kardialen MR ermöglicht, um Patienten nach ihrem Risiko für ein schwerwiegendes unerwünschtes kardiovaskuläres Ereignis zu klassifizieren. Das Projektteam arbeitet auch mit der Harvard University in Boston zusammen.

Nierensteine individualisiert vorbeugen

Bis zu 15 Prozent der Bevölkerung entwickelt Nierensteine, äusserst schmerzhafte Auskristallisierungen von Salzen in der Niere, die oft operativ entfernt werden müssen. Da Nierensteine häufig erneut auftreten, verursachen sie jährlich hohe Behandlungskosten sowie eine starke Einbusse der Lebensqualität der Betroffenen. Je nach Art des Nierensteins kann ein Wiederauftreten mit gezielter Prävention weitgehend verhindert werden. Doch bisher können Stein-Typen nicht genügend gut unterschieden werden, um ein auf den Patienten zugeschnittenes Präventionsprogramm zu entwerfen. Zudem kann das individuelle Risiko für ein Wiederauftreten aktuell nicht bestimmt werden.

Prof. Dr. med. Daniel Fuster, Universitätsklinik für Nephrologie und Hypertonie am Inselspital, möchte daher in Zusammenarbeit mit PD Dr. Rémy Bruggmann, Bioinformatik, Universität Bern, ein maschinelles Lernwerkzeug entwickeln, welches das Rezidivrisiko und den Nierensteintyp anhand von demografischen Informationen und im klinischen Alltag zur Verfügung stehenden Urinparametern ermitteln kann.

Das Fortschreiten von MS unabhängig von MR-Parametern erfassen

Multiple Sklerose (MS) betrifft v.a. jüngere Menschen in der Blüte ihres Lebens (Beginn oft zwischen 20 und 40 Jahren). Die chronisch fortschreitende neurologische Erkrankung macht eine lebenslange Versorgung in einem medizinischen Zentrum notwendig. Damit Betroffene möglichst lange ohne gravierende Einschränkungen leben können, muss die jeweilige medikamentöse Therapie dem individuellen Voranschreiten der Erkrankung angepasst werden. Wechselt ein Patient oder eine Patientin jedoch das Versorgungszentrum (etwa durch einen Umzug) oder rüstet eine Klinik ihre Bildgebung auf, dann kann durch die unterschiedlichen Aufnahme-Modalitäten eben diese nahtlose Überwachung erschwert oder verunmöglicht werden, weil die Bilddaten nicht optimal vergleichbar sind.

Dr. Richard McKinley, Universitätsinstitut für Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie (DIN) und Support Center for Advanced Neuroimaging (SCAN) am Inselspital, und Dr. med. Piotr Radojewski, DIN, SCAN sowie Translational Imaging Center (TIC), sitem-insel, möchten das nun ändern. In Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik für Neurologie, Inselspital, arbeiten sie an einer 3D-Segmentierung verschiedener MRI-Modalitäten, die mittels geometrischem Deep Learning unterschiedliche MRI-Aufnahmen nahtlos miteinander vergleichen kann. Das Ziel ist, dass jeder MS-Patient orts- und MR-Parameter-unabhängig eine dem Krankheitsverlauf angepasste Behandlung erhält.

Während der Nachtschicht alle Patienten rechtzeitig versorgen

Pflegefachpersonen sind während einer Nachtschicht für bis zu 30 Patienten auf einer Station alleinverantwortlich. Besonders in psychiatrischen Kliniken benötigen Patienten häufig in der Nacht Unterstützung und Intervention durch die Pflege. Drückt eine Patientin den Rufknopf, kann die Pflegefachperson jedoch nicht wissen, wie dringend sie Hilfe benötigt. Das kann sehr belastend sein, wenn die Pflege etwa gerade an einem Ende der Station hilft und am anderen Ende zwei Rufe erhält.

Prof. Dr. Tobias Nef, Leiter Gerontologie am ARTORG Center for Biomedical Engineering Research, Universität Bern, und Prof. Dr. med. Stefan Klöppel, Leiter Alterspsychiatrie, Universitäre Psychiatrische Dienste Bern (UPD), schlagen daher vor, einen digitalen Pflegeassistenten zu entwickeln, der Pflegende unterstützt, die Dringlichkeit einer Intervention bei einem Patienten einzuschätzen. Das System soll multimodale Sensordaten aus den Zimmern analysieren und Situationen erkennen, die ein dringendes Eingreifen der Pflegefachperson erfordern (beispielsweise, weil eine Person gestürzt ist oder Angstzustände hat), damit die Pflege keinem übermässigen Stress ausgesetzt ist. Das Team arbeitet eng mit der Forschungsplattform NeuroTec an der sitem-insel zusammen.

Frauen die Kontrolle über Menopause-Risiken an die Hand geben

Jede Frau kommt irgendwann in die Wechseljahre, mit unterschiedlich stark ausgeprägten Beschwerden. Allen gemeinsam ist jedoch ein erhöhtes Risiko für Übergewicht, Diabetes, Osteoporose, Herz-Kreislauferkrankungen sowie Krebs. Heute wollen Frauen diese Risiken nicht einfach hinnehmen, sondern wünschen sich eine individuelle Betreuung während der Wechseljahre, die ihnen eine möglichst grosse Automonie über ihre eigene Gesundheit erhält und ihnen ermöglicht, Risiken selbstständig zu mindern.

Prof. Dr. med. Petra Stute, Leiterin Menopausezentrum, Frauenklinik, Inselspital, möchte Frauen in der Lebensmitte befähigen, mittels einer digitalen Gesundheits-App ihr persönliches Risiko für akute oder chronische Erkrankungen zu ermitteln. Die App erhebt mit einer gängigen Smartwatch verschiedene Vital- und Bewegungsdaten der Frau und soll ihr anzeigen, ob sie gerade anfällig für eine Infektion ist oder z.B. ihr Diabetesrisiko steigt. Prof. David Ginsbourger vom Institut für mathematische Statistik und Versicherungslehre der Universität Bern arbeitet an der probabilistischen Vorhersage von Risikoparametern unter Verwendung von Daten aus verschiedenen Quellen – darunter Wearables und Fragebögen – mit Schwerpunkt auf der Quantifizierung und Reduzierung der damit verbundenen Unsicherheiten.

Der CAIM Forschungsprojekte-Fonds ist ein strategisches Fördermittel der Medizinischen Fakultät der Universität Bern für Innovationsprojekte in der digitalen Medizintechnologie. Die Anschubfinanzierung für Projekte der CAIM-Partner Universität Bern, Inselspital, UPD und sitem-insel gilt Projekten mit einem greifbaren Patientennutzen und starkem Potenzial, wegweisend für die künftige Gesundheitsversorgung zu sein. Weitere Informationen unter www.caim.unibe.ch/research_fund