«KI ist der Schlüssel zu einer neuen Ära der Gesundheitsversorgung.»

März 2023

Song Xue ist ein auf Deep Learning spezialisierter Biomedizintechniker, der als Postdoktorand in der Gruppe AI for Translational Theranostics (AITT) der Universitätsklinik für Nuklearmedizin am Inselspital forscht. Durch die Anwendung von künstlicher Intelligenz in der Nuklearmedizin will Song die Strahlenbelastung in der diagnostischen PET-Bildgebung reduzieren und eine personalisierte Dosisprognose für die Radionuklidtherapie ermöglichen. Jetzt wo sich für die Nuklearmedizin neue therapeutische Felder eröffnen, sieht Song seine Forschung an einem spannenden Schnittpunkt von Datenwissenschaft, klinischer Praxis und Industrie.

Song Xue (Mitte), Jimin Hong (links) und Carlos Gomes Ferreira (rechts) wollen die Möglichkeiten der PET-Bildgebung und Radionuklidtherapie durch KI erweitern. (© Xiaodong Li)

Song, woran arbeitest du?
Ich befasse mich mit der Dosisoptimierung in der Nuklearmedizin sowohl für die diagnostische Bildgebung als auch für die Radioligandentherapie mit Hilfe von künstlicher Intelligenz.
Was die Bildgebung betrifft, so ist der am häufigsten verwendete Scanner der PET/CT (Positronen-Emissions-Tomographie/Computertomographie). Ich verwende KI für die Rauschunterdrückung oder die Wiederherstellung der Bildqualität bei Niedrigdosisaufnahmen. Ein zweiter Aspekt ist das Erreichen der gleichen Funktion wie ein CT mittels Deep Learning (Abschwächungs- und Streuungskorrektur) für eine CT-freie PET-Bildgebung.
Bei der Radioligandentherapie wiederum zerstören injizierte Tracer-Medikamente in höheren Dosen Tumorzellen. Das Problem ist, dass dafür heute eine Standarddosis verabreicht wird, die für Patienten zu hoch (Schädigung anderer Organe wie der Nieren) oder zu niedrig (kein optimales Ergebnis) sein kann. Da diese Therapieform für Prostatakrebs neu zugelassen ist, haben wir eine Methode zur Vorhersage der Dosis der Radionuklidtherapie auf der Grundlage von Informationen vor der Behandlung entwickelt, die eine präzisere und personalisierte Behandlung ermöglicht.

Deep Learning-Analyse verschiedener PET-Scanner-Modelle in einer aktuellen Studie der AITT-Gruppe. (https://doi.org/10.1038/s41467-022-33562-9)

Wem kommt das zugute?
Mit unserer Forschung wollen wir die Nebenwirkungen für die Patientinnen und Patienten verringern, indem wir die injizierte Dosis so niedrig wie möglich halten und auf diese Weise versuchen, PET etwa auch für die Pädiatrie verfügbar zu machen. Unsere KI-gestützte Bildgebung hat aber auch Vorteile für Spitäler, da sie weniger Zeit für die Bildaufnahme pro Patienten oder Patientin benötigen und somit mehr Patienten mit den gleichen Ressourcen behandeln können.
Unsere künftige Arbeit wird sich auf zwei Aspekte konzentrieren. Zum einen werden wir eine Reihe standardisierter Leitlinien für die Radionuklidtherapie bei Prostatakrebs und ein Softwarepaket für die personalisierte Behandlungsplanung entwickeln. Zum anderen werden wir mit Deep Learning ein Bildgebungssystem für niedrige Dosen entwickeln, das hochpräzise CT-freie PET-Bildgebung ermöglicht. Diese Technologien werden die PET in Szenarien wie Routineuntersuchungen benutzerfreundlicher und praktikabler machen.

Dr. Lorenzo Mercolli diskutiert in einem Treffen am Inselspital, Universitätsspital Bern, mit Song Xue über klinische Herausforderungen in der PET-Bildgebung. (© Xiaodong Li)

Mit Hilfe von Domänenwissen wollen wir die Robustheit und Generalisierbarkeit von KI für die Nuklearmedizin verbessern.

Fühlst du dich als Teil einer grösseren Forschungsgemeinschaft?
Auf jeden Fall! Ich habe bereits an verschiedenen bildgebenden Verfahren sowie an Genomdaten mit Hilfe von KI gearbeitet. Ich verstehe mich also als KI-Entwickler für das Gesundheitswesen im Allgemeinen. Um in diesem Bereich am Ball zu bleiben, haben wir hier in Bern einige Kooperationen gestartet, damit wir uns mit anderen austauschen, die ähnliche Techniken für andere Aufgaben verwenden. Vielleicht entwickelt eine Gruppe einen innovativen Ansatz, den auch wir nutzen könnten. Zudem sehen wir, dass andere bei der Entwicklung von Algorithmen vor ähnlichen Herausforderungen stehen.
Da wir im Medizinbereich arbeiten, ist es sehr nützlich zu verstehen, wie Ärztinnen und Ärzte denken und wie sie ein Problem formulieren würden. Das hilft uns, unsere Forschungsaufgaben besser zu definieren. In der Nuklearmedizin zum Beispiel versuchen wir, das Fachwissen aus der Physik in das Design der KI zu integrieren, um deren Robustheit und Generalisierbarkeit zu verbessern. Wir haben den zusätzlichen Vorteil, dass die Schweiz in der Radionuklid-Prostatakrebstherapie führend ist und somit Daten aus klinischen Versuchen zur Verfügung stehen.

Wie hast du dich für deinen Forschungsbereich entschieden?

Medizintechnik ist seit dem Beginn meines Studiums meine Leidenschaft. Während meines Masterstudiums entstand ein Boom für KI-Technologie, die meiner Meinung nach der Schlüssel zu einer neuen Ära der Gesundheitsversorgung ist. Daraufhin wechselte ich zu den Datenwissenschaften und arbeitete dann als Deep-Learning-Ingenieur bei zwei Start-ups, die sich auf die Anwendung von KI in der medizinischen Bildgebung konzentrieren.

Dort habe ich nicht nur wertvolle Erfahrungen mit KI-Anwendungen gesammelt, sondern vor allem auch einen Einblick in die Arbeitsweise solcher Start-ups und das Marktpotenzial solcher Anwendungen gewonnen.

An die Universitätsklinik für Nuklearmedizin des Inselspitals als eines der weltweit führenden PET-Zentren bin ich gekommen, um Teil der spannenden jüngsten Entwicklungen in der Nuklearmedizin und PET-Bildgebung zu sein. Hier kann ich sehen, wie meine Forschung den Menschen helfen kann und ich schätze es, Rückmeldungen aus der Klinik zu erhalten.

Ich finde es spannend, Teil der Zukunft der Nuklearmedizin zu sein. Ich könnte mir auch vorstellen, an der Vorhersage der chemischen Struktur neuer PET-Tracer mit fortgeschrittenen Deep-Learning-Techniken zu arbeiten. Dies könnte viele weitere Anwendungsfelder für die Krebsbehandlung eröffnen.

(© CAIM, Universität Bern)

Song Xue ist Postdoktorand in der Forschungsgruppe AI for Translational Theranostics der Universitätsklinik für Nuklearmedizin am Inselspital, Universitätsspital Bern. Nach seinem Bachelor in Biomedical Engineering absolvierte er einen Master in Business Intelligence und Analytics am Stevens Institute of Technology in New Jersey, USA. Er war als Deep-Learning-Ingenieur in der Industrie tätig und promovierte anschliessend im vergangenen Jahr an der Universität Bern in Biomedical Sciences

über KI-Anwendungen in der Nuklearmedizin. Song setzt diese Studienrichtung dort nun als Postdoktorand unter der Leitung des Informatikprofessors Kuanqyu Shi und des Abteilungsleiters Prof. Dr. med. Axel Rominger fort.

Song's Hauptforschungsgebiet ist die Dosisoptimierung für die nuklearmedizinische Bildgebung und die Radionuklidtherapie. Im Bereich der Bildgebung leistete seine Forschung Pionierarbeit bei der Integration von Domänenwissen und Deep-Learning-Modellen, um eine qualitativ hochwertige Bildgebung bei niedriger Strahlendosis zu erreichen und gleichzeitig die Strahlendosis von injizierten Radiopharmaka im CT zu reduzieren. Mit seinem Team arbeitet er auch an der Vorhersage der optimalen Dosis von Radionuklidtherapie bei Prostatakrebs für eine personalisierte Behandlungsplanung.

Artikel in Nature Communications über CT-freie PET-Bildgebung

Veröffentlichung zu Low-Dose-PET auf EJNMMI

Veröffentlichung zu PSMA-Dosisvorhersage auf EJNMMI