"Computergesteuertes kognitives Training könnte ein leicht zugänglicher Präventionsmechanismus sein"

Juli 2022

Esther Brill doktoriert in kognitiven Neurowissenschaften an der Universitätsklinik für Alterspsychiatrie und Psychotherapie Bern. Als Digital Native hält sie die Verbindung von Technologie und klinischer Arbeit für unerlässlich, um immer häufiger auftretende neurodegenerative Erkrankungen wie Demenz zu bekämpfen. Tabletbasierte kognitive Trainingsspiele, wie sie sie derzeit in Zusammenarbeit mit dem ARTORG Center entwickelt, könnten dabei ein Schlüsselfaktor sein, sowohl in der Therapie als auch in der Prävention.

Esther Brill erforscht Gedächtnisspiele für ältere Menschen, die entweder ein Demenzrisiko haben oder bereits an einer Alzheimer-induzierten Demenz leiden. Mit solchen „Serious Games“ können Senior:innen verschiedene Aktivitäten, die bei alltäglichen Aufgaben wie dem Einkaufen, der räumlichen Orientierung oder dem Behalten von Wörtern helfen, trainieren. (© CAIM, Universität Bern)

Esther, was erforscht du?
In meinem Projekt geht es um ein kognitives Training für ältere Erwachsene, bei denen entweder das Risiko besteht, dass sie aufgrund der Alzheimer-Krankheit an Demenz erkranken oder bei denen bereits eine kognitive Beeinträchtigung im Zusammenhang mit Demenz diagnostiziert wurde. Wir verwenden ein selbst entwickeltes Tablet-gestütztes „Serious Games“-Training als nicht-invasives Instrument zur Abschwächung des kognitiven Abbaus. Ein weiterer wichtiger Aspekt meiner Forschung ist die Bildgebung. Hier verwenden wir Magnetresonanz-Tomografie (MRT), um die funktionellen und strukturellen neuronalen Grundlagen des erwarteten Trainingseffektes zu untersuchen.

Bislang setzen wir Künstliche Intelligenz (KI) nur sporadisch in unseren Spielen ein, z. B. wenn die Teilnehmenden bei einer Lückentextaufgabe gegen einen KI-Gegner antreten müssen. Ich denke jedoch, dass unser Ansatz eines spielerischen Tablet-basierten kognitiven Trainings mit modernster Technologie geradezu nach einem verstärkten Einsatz von KI in zukünftigen Projekten schreit. Ich könnte mir etwa vorstellen, dass die KI Verhaltensmarker, die während der Nutzung des Tablets gesammelt werden, verarbeitet und so die Diagnosestellung unterstützt. 

(© CAIM, Universität Bern)

Da ich mich sehr für den Aspekt der Bildgebung interessiere, sehe ich auch hier Anwendungsmöglichkeiten für maschinelles Lernen, beispielsweise zur Analyse und Vorverarbeitung von MRT-Daten für Kliniker und Forschende.

Was motiviert dich an deiner Arbeit?
Neuropsychologischen Forschung und ihre verschiedenen Ansätze haben mich schon immer fasziniert. Nach meinem Psychologiestudium habe ich gezielt nach einem Promotionsprojekt gesucht, das sowohl wissenschaftliche Forschung als auch klinische Arbeit verbindet. Ich schätze den engen Kontakt zu den Patientinnen und Patienten sehr! Während und nach dem Training berichten sie häufig, dass sie subjektiv eine Verbesserung ihrer Kognition und Lebensqualität spüren. Das ist sehr motivierend und sicherlich eine große Bestätigung, diesen Forschungszweig weiter zu verfolgen.
Ich möchte auf jeden Fall in der neurologischen und psychologischen Forschung bleiben. Ich bin offen für verschiedene Projekte auf diesem Gebiet. Aber mein aktuelles Projekt bestärkt mich darin, weiterhin neurodegenerative Krankheiten zu untersuchen und Werkzeuge gegen den kognitiven Abbau zu erforschen. Angesichts der exponentiellen Zunahme älterer Menschen und der Tatsache, dass sich die Zahl der Demenzerkrankungen in der Schweiz zwischen 2019 und 2050 voraussichtlich mehr als verdoppeln wird, glaube ich, dass computergestütztes kognitives Training nicht nur eine Behandlungsoption, sondern auch ein leicht zugänglicher Präventionsmechanismus sein kann, der sowohl die Gesellschaft als auch das Gesundheitssystem entlastet.

Esther Brill und ihr Team untersuchen strukturelle und funktionelle Bildgebungsdaten des Gehirns, um kognitive Prozesse abzubilden, die der Neurodegeneration bei älteren Menschen zugrunde liegen. (© CAIM Universität Bern)

Technologie kann innovative Wege zu einer besseren, individualisierten Behandlung eröffnen.

Was bedeutet es dir, ein Teil von CAIM zu sein?
Mir gefällt das Konzept von CAIM Forschende aus verschiedenen Bereichen zu verbinden. Ich schätze vor allem die Mission und den translationalen Charakter des Zentrums. Da ich ein Digital Native bin, halte ich es für sehr wichtig, Technologie und klinische Arbeit miteinander zu verbinden, um innovative Wege zu einer schnelleren und besseren, individualisierten Behandlung zu ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen, arbeiten wir eng mit dem ARTORG Center zusammen und tauschen uns häufig aus. Das ist besonders jetzt wichtig, da ich mich nun auf den Teil der Datenanalyse meines Projekts konzentrieren möchte. Wir haben die psychologische und kognitive Perspektive, und sie haben den technischen Blickwinkel bei der Entwicklung motivierender Spiele für unsere Nutzerinnen und Nutzer.
Auch die Initiative für mehr Vielfalt, die das CAIM ins Leben gerufen hat, finde ich gut, und ich habe am ersten Research Lunch Talk teilgenommen. Meiner Meinung nach geht es bei Diversität um Gleichberechtigung und Inklusion. Beides sind Werte, die ich schätze und die meiner Meinung nach einen wertvollen multiperspektivischen Ansatz für jede Art von Forschung ermöglichen.

(© CAIM, Universität Bern)

Esther Brill besitzt einen Bachelor-Abschluss in Wirtschaft und Management der Universität Luxemburg und der NY State University at Buffalo. Als sie ihre Leidenschaft für die Psychologie entdeckte, wechselte sie das Fach und erwarb einen BSc- und MSc-Abschluss in Psychologie an der Universität Bern.

Im Rahmen ihres Doktoratsstudiums an der Universitätsklinik für Alterspsychiatrie und Psychotherapie untersucht sie, wie der kognitive Abbau im Zusammenhang mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz durch gezielte kognitive Trainingsspiele, die das episodische, semantische und Arbeitsgedächtnis sowie die räumlichen Fähigkeiten trainieren, verlangsamt werden kann.